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Es werden Posts vom Januar, 2020 angezeigt.

Später

„ Scheiße, das kannst du doch nicht machen, was soll denn das?“ Sie fuchtelt mit so einem langen Holzstück herum und trifft ihr Weinglas genau in der Mitte. Die Splitter liegen auf dem Boden. Sie lacht. „ So will niemand aussehen!“ „ Warum denn? Jeder darf sich das aussuchen, haben wir gesagt. Wenn du aussehen willst wie Sophie Marceau, darf ich aussehen wie Karl Ove Knausgard.“ „ Aber der sieht furchtbar aus. Ungepflegt und eklig. Guck mal seine Haare an, wenn du später so aussiehst, denken alle du bist obdachlos.“ „ Wenn ich dabei so aussehe, bin ich gerne obdachlos.“ „ Du erzählst Schwachsinn. Du willst also später mal obdachlos sein, so stellst du dir deine Zukunft vor?“ „ Das habe ich nicht gesagt, ich hab nur gesagt, dass ich in Kauf nehmen würde, obdachlos zu sein, wenn ich dafür aussehe wie Karl Ove Knausgard.“ Sie hebt eine Scherbe auf, legt sie auf den Tisch und trinkt einen großen Schluck aus meinem Glas. „ Aber jetzt mal im Ernst, ist es dir so wic

Ich glaube, ich tue dir heute keinen Gefallen.

Sie kam heute früher von der Arbeit nach Hause und hat noch frische Lebensmittel mitgebracht, die ich vergessen hatte einzukaufen. Sie kam durch die Tür mit zwei dieser gepunkteten Einkaufsbeutel, warf mir einen Blick zu, der sagt: kannst du mir vielleicht mal helfen? und kam dann in die Küche geschlürft. Ich stand nur da, mit meinem Glas in der Hand und habe nichts gemacht. Ich stand auch noch da, als sie die Mortadella in den Kühlschrank räumte und die Milch, die Eier, den Apfelsaft, ein Stück Käse, den ich so gerne mag. Und dann setzte sie sich auf die Couch, stöhnte einmal, legte den Kopf nach hinten und sagte: „Was für ein Tag.“  Sie hat immer so kleine Locken über den Ohren, wenn sie erschöpft nach Hause kommt. Sie sind heller als ihr restliches Haar. Sie strich sich über die Oberschenkel, stand auf und kam zu mir herüber.  „ Ich glaube, ich tue dir heute keinen Gefallen.“, sagte sie dann, „Ich gehe sofort ins Bett. Ich bin total fertig.“ Ich ging rüber zur Couch

Schlafen

Seit ein paar Tagen essen wir in getrennten Zimmern. Es ist eine Übereinkunft, die wir getroffen haben. Ich esse etwas später als sie, meistens vertrage ich so früh kein Essen. Und sie will nie mittag essen, was für mich auch vollkommen in Ordnung ist. Sie nimmt dann ihren Teller - ich sitze in der Küche und lese – und geht damit rüber ins Wohnzimmer. Dann höre ich leise ihr Handy, weil sie darauf irgendeine Serie guckt. Einmal hat sie gesagt, ihr fehle die Kommunikation mit mir, aber was soll ich denn machen, es ist nicht meine Schuld. Ich sitze dann alleine da, bis ich Hunger kriege und esse etwas später. Dann ist sie meistens schon aus dem Haus oder, was mich manchmal um den Verstand bringt: sie liegt wieder im Bett. Ich schaffe einfach nichts, wenn sie da so im Bett liegt. „ Ich schlafe halt gerne.“, sagt sie dann. Aber ich schlafe nicht gerne, ich schlafe nur soviel wie nötig, weil ich mir meine Zeit gut einteilen muss, wenn ich meine Ziele erreichen will. Ich muss

Monster

Lino kommt meistens spät von der Arbeit. Er öffnet leise die Tür, denn er will Tara nicht aufwecken. Er legt seinen Mantel über das Sofa, damit die Kordeln nicht an die Holzverkleidung der Garderobe schlagen, davon ist sie schon einmal aufgewacht. Er schnürt seine Schuhe leise auf und schiebt sie unter den Tisch im Flur. Das fällt ihm manchmal schwer, wenn er bei der Arbeit getrunken hat, dann muss er sich auf den Boden setzen, um nicht umzufallen. Meistens geht er noch in die Küche, nimmt ein Bier aus dem Kühlschrank, umfasst den Flaschenhals und den Öffner mit der ganzen Hand und hebt den Deckel leise an, ohne dass es ploppt. Das ist wichtig, davon ist Tara schon einmal wach geworden. Wenn er dann seinen ersten Schluck nimmt, kommt es ihm manchmal vor, als wäre er wieder alleine. Die Fla s che trinkt er meistens sehr schnell aus, weil er schon müde ist und dann geht er ins Badezimmer, wäscht sich mit einem großen Schluck Mundwasser den Mund aus und geht zu Tara ins Bett. Meistens

Ein Abend wie früher

Ich habe vor einer Woche angefangen, mir Gedanken zu machen. Ich habe mir Rezepte aus dem Internet abgeschrieben, sie ein wenig abgewandelt. Eigentlich will ich ein Rezept aus einem alten Kochbuch meiner Großmutter verwenden, aber die Rezepte sind zu kurz. Es sieht verdammt gut aus, dieses Buch, es ist zerfleddert und hat einen alten Einband. Wenn es dort so in der Küche steht und Philip und Karla das dort sehen, könnten sie fragen: „Wow, ist das alt, hast du das Rezept aus diesem Buch?“ Ich könnte Ja sagen, müsste aber dann darauf hoffen, dass sie nicht hineinschauen wollen, weil sonst würden sie wahrscheinlich sehen, dass das Rezept nicht ausführlich genug ist und ahnen, dass ich den Rest aus dem Internet habe. Wir alle sind viel im Internet, privat und beruflich, diese Abende sind unser Ausgleich, sie sind für mich wie eine Oase, keine Smartphones, kein Klingeln. Ich will nur, dass es schön wird. Ich will, dass es nur um uns geht, dass wir lachen, dass wir uns so richti

Alles gut

Sie wohnen in einer kleinen Dachgeschosswohnung. Er schiebt sein Fahrrad in den Innenhof, schließt es an und geht in den dreckigen Hausflur. Die Farbe blättert von den Wänden und überall sind diese braunen Flecken. Das Geländer ist morsch und das Linoleum hebt sich von den Stufen ab. Er schließt die Tür auf und sieht gleich die kleine Vase mit frischen Blumen, die sie jeden Montag auf dem Markt kauft. Sie sind diesmal lila. Es ist schon nach zwei Uhr nachts, aber im Badezimmer brennt noch Licht. Er denkt, sie könnte es vergessen haben und will es ausmachen, als er sie auf dem Klodeckel sitzen sieht. „ Du bist noch wach?“, sagt er. „ Ich bin auf der Couch eingeschlafen“, antwortet sie mit winzigen Augen und der Zahnbürste im Mund. „ Ich bin immer so müde“, sagt sie. „ Ich bin hellwach.“ „ Weil du immer so spät arbeitest.“ „ Heute hat einer der Gäste einen Anfall gehabt.“ Sie spuckt aus, spült die Zahnbürste ab und schiebt ihn weg vom Waschbecken, um sich das Gesich

All die Mühen

Der Flug von Berlin nach Hanoi dauert schon zwölf Stunden. Ich bin seit über sechzehn Stunden auf den Beinen. Als ich in Hanoi ankomme, sieht es aus wie auf Kuba, zumindest stelle ich mir Kuba so vor. Blasser Teppich auf dem Boden, camouflagefarbene Vorhänge vor den Fenstern und Bilder von Revolutionsführern an den Wänden. Ich finde den einzigen Geldautomaten und hebe mit meiner American Express erst einmal hundert Dong ab. Am Schalter der Zollbehörde reicht dieser Betrag nicht aus, aus Gründen die ich nicht ganz verstehe und ich zahle noch einen Teil mit Euro. Dann habe ich ein Visum, gehe vor die Tür des Flughafens, atme die Luft ein, die meine Lungen füllt wie Kaugummi, und fahre zum Hotel. Es dauert fast eine Stunde und ich glaube auch hier, dass ich mehr zahlen werde als erwartet. Der Taxifahrer ist ein alter Mann mit Levis-Jeans-Mütze, der ständig aus dem Fenster zeigt, etwas auf vietnamesisch sagt und dann „good?, good?“ fragt. Ich antworte nicht, sondern überde

Mein Mann ist heute früher nach Hause gekommen.

Mein Mann ist heute früher nach Hause gekommen. Wir sind nicht verheiratet, aber er hat irgendwann angefangen, mich als seine Frau vorzustellen und seitdem sagen wir Mann und Frau, wenn wir übereinander sprechen. Ich höre seine Schritte im Wohnzimmer, er zieht seine Schuhe aus, wirft seine Jacke über den Sessel und geht in die Küche, um eine Zigarette zu rauchen, das alles höre ich. Ich bleibe noch eine Weile oben, lege ein paar Bettlaken zusammen und zupfe Haare von meinem Kopfkissen. Dann ruft er: „Lily, bist du da?“ und ich antworte nicht. Ich weiß nicht, wieso ich nicht antworte. Ihn kümmert es nicht weiter und er sieht fern. Ich habe ein paar Laken nicht sorgfältig zusammengelegt und falte sie noch einmal. Ich will noch hinuntergehen, aber dann ist es schon so spät und ich lege mich einfach ins Bett, dann kann ich sagen, ich hätte schon geschlafen und ihn deshalb nicht gehört. Ich könnte sagen, es ginge mir nicht gut, ich hätte Kopfschmerzen. Ich habe öfter Kopfschmerz